31.03.2025
Patrick Schmed

Die Fondation Franz Weber rettet Bäume

Werden Bauprojekte höher gewichtet als Wurzeln, Stämme, Äste, Blätter und Nadeln, so schwindet der Baumbestand in der Summe ungeahnt rasch. Dies bewusst zu machen ist für die Fondation Franz Weber genauso wichtig wie das Retten der einzelnen Wurzelriesen. Welche Optionen es gibt, wird aktuell im Thuner Schadauquartier beispielhaft gezeigt.

Es sei ein Paradebeispiel für geglückte Baumrettungen, sagt Fabian Dietrich an der Thuner Seestrasse. Der Baumpflegespezialist mit eidgenössischem Fachausweis hat soeben das Umpflanzen einer rund 30-jährigen Stieleiche mitverfolgt und ist erleichtert. Der rund sechs Tonnen schwere Baum konnte mitsamt Wurzelwerk von der Marien- an die Seestrasse gezügelt werden. Hier hat er sogar noch bessere Chancen, sehr alt zu werden – so wie es Eichen in der Regel tun. Denn vor der Fassade des neu gebauten Trakts hat er Sonne und genug Platz für seine Wurzeln.

Fondation Franz Weber und Helvetia Nostra sei Dank

Nicht nur die Stieleiche hat die Chance, hier weiter gut zu gedeihen, sondern auch der Gehölzgürtel, in den sie eingepflanzt wurde. Er besteht aus einheimischen Arten wie Sandbirke, Vogelkirsche, Berg- und Spitzahornen sowie Hartriegel. Zwischen den Gebäuden, auf dem Pausenplatz und an der Marienstrasse bleiben Linden, Spitzahorn, Erle, Stieleiche, Traubenkirsche, Weiden, Eiben und viele weitere Bäume erhalten und sorgen für eine breite Biodiversität. Zu verdanken ist dies der Schwesterorganisation der Fondation Franz Weber Helvetia Nostra, die mit ihrer Einsprache für einen Konsens zwischen Bau und Baum gesorgt hat.

Langjährige Planung

Angefangen hat alles vor drei Jahren, als die Pläne für die Erweiterung und Sanierung des Gymnasiums Thun-Schadau öffentlich gemacht wurden. Ein Artikel über die Bäume ist in der Folge im Thuner Tagblatt erschienen, die allesamt gefällt worden wären. 

Für die Fondation Franz Weber und Helvetia Nostra war dies keine Option, deshalb hat letztere Einsprache erhoben und nach einigen Verhandlungsrunden einen Konsens gefunden: Es sollen so viele Bäume wie irgendwie möglich erhalten bleiben, so einigten sich die Schulleitung, die Projektleitung, das Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) des Kantons Bern als Bauherrschaft und die Fondation Franz Weber.

Viele Möglichkeiten

Fabian Dietrich hat im Auftrag der Fondation Franz Weber die Bäume kontrolliert und im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben für die Einsprache beurteilt. Er erhielt den Auftrag, den Erhalt und Schutz der Bäume rund um das Gymnasium Thun-Schadau zu planen und umzusetzen. Dabei kann er alle Register seines Könnens ziehen. Das Umpflanzen der Stieleiche ist nur eine von zahlreichen Optionen. Sie ist sinnvoll, weil der Baum im besten Alter ist, eine hohe Bedeutung für die Biodiversität besitzt und eine lange Lebenswartung hat. Es bräuchte mehrere Jungbäume, um die Umweltleistungen dieser Stieleiche zu kompensieren. Die Kosten wären bedeutend höher als die Kosten für das Umpflanzen.

Geschützt hinter dem Vorhang

Eine weitere Möglichkeit, Bäume zu erhalten und zu schützen, sind Wurzelvorhänge. Sie grenzen den Boden mit dem Wurzelwerk vom Baufeld ab. Fabian Dietrich und das Team der Baumpflege Dietrich GmbH, Därligen haben bei jedem Baum mit Wurzelsondierungen ermittelt, in welcher Form der Baum erhalten werden kann. Wo dies gewährleistet war, wird im Bauverlauf ein Wurzelvorhang und Schutzzaun erstellt. Dahinter sind die Wurzeln in einem nährstoffreichen Substrat eingebettet und geschützt vor Bautätigkeiten, Frost und Austrocknung. Zudem schützt der Schutzzaun den Bodenraum vor dem Betreten, Befahren und Deponieren von Material. Nach Abschluss der Bauarbeiten werden Wurzelvorhang und Schutzzaun entfernt und die Wurzeln können sich weiter ausbreiten.

Die Bedeutung erkennen

«Es können nicht alle Bäume erhalten werden, doch ein bedeutender Teil bleibt bestehen und das ist ein Erfolg der FFW», würdigt Fabian Dietrich das Eingreifen der Fondation Franz Weber. Häufig werden Bäume gefällt, weil ihre Bedeutung für die Umwelt bei der Planung zu wenig berücksichtigt wird. Wird dies frühzeitig erkannt, können bestehende Grünflächen durch eine angepasste Planung häufig doch noch erhalten oder zumindest teilweise gerettet werden.

Alle Register gezogen

Anders beim Gymnasium Thun-Schadau, wo die Planung im Rahmen der Überbauungsordnung genehmigt und bindend war. Das Eingreifen der FFW zeigt, dass es sogar in solchen Fällen zahlreiche Optionen gibt, um geplante Fällungen zu verhindern. Zum Beispiel dort, wo die Bäume für einen temporären Installationsplatz hätten weichen müssen. Fabian Dietrich ist der Bauherrschaft und -leitung sehr verbunden, dass sie auf die gemachten Vorschläge eingegangen sind und tatsächlich alles möglich gemacht haben, was dem Weiterbestand zahlreicher Bäume dient.

Steter Schwund

Das Beispiel aus Thun freut auch Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber und Helvetia Nostra. Es ist nachvollziehbar, dass beim Bauen das Projekt selbst höher gewichtet wird als der Weiterbestand einzelner Bäume. Daher wird die Fällung meist als Ausnahme betrachtet. Doch: Die Summe aller Ausnahmen lässt den Baumbestand auf ungeahnt rasche Art und Weise schrumpfen! Und genau das weisen Statistiken für den Siedlungsraum aus. Aus diesem Grund kämpft Vera Weber weiterhin für jeden einzelnen Baum und damit auch für ein wachsendes Verständnis, dass unser Wohlergehen vom Erhalt der grünen Wunderwerke abhängen wird.

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