Ginge es nach den Bündner Behörden, dann wäre ein anmutiges Areal mit historischer Bedeutung in Chur längst Geschichte. Doch dank der Wehrhaftigkeit der Bewohner, welche die Fondation Franz Weber zu Hilfe riefen, kam es anders.
Im September 2020 schien die Sache aussichtslos: Die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung Waldhaus in Chur fühlten sich ohnmächtig. In den Wochen zuvor waren sie von ihrem Vermieter, der öffentlichen Hand, wortmächtig dazu aufgefordert worden, sich kurz- bis höchstens mittelfristig eine neue Bleibe zu suchen.
Der Grund: Das Areal mit zwölf Häusern und Grünflächen inmitten herrlicher Natur und Artenvielfalt – ursprünglich gebaut für die Angestellten der darüber liegenden psychiatrischen Klinik Waldhaus – sollte zerstört werden. Die Stadt und der Kanton Chur beabsichtigten, einer Pensionskasse den Bau einer Überbauung mit 125 Wohnungen im oberen Mietzinssegment sowie einer Tiefgarage anstelle dieser Idylle zu ermöglichen.
Statt Beugehaltung ein Hilferuf
Nicht alle Waldhaus-Siedlung-Bewohner und -Freunde liessen diese Kündigung auf sich sitzen, sondern sie holten sich Hilfe und Unterstützung bei der Fondation Franz Weber (FFW) und ihrer beschwerdeberechtigten Schwesterstiftung Helvetia Nostra (HN).
Der Besuch der FFW/HN in der Siedlung Waldhaus sollte Folgen haben: Nach gründlicher Analyse der Lage konnten nämlich weder die Behörden der Stadt noch des Kantons Chur einfach so eine Zonenplanänderung im ganzen betreffenden Quartier namens Cadonau durchpeitschen und die Mieterinnen vertreiben. Vertreiben ist das richtige Wort, denn der Mieterschaft wurde «gnädig» eine halbjährige bis höchstens einjährige Mieterstreckungsfrist gewährt, unter der Bedingung, dass sie sich nicht öffentlich oder gar politisch gegen das Projekt zur Wehr setzen.
Man könnte dieses Gehabe auch Erpressung nennen, und leider liessen sich etliche Bewohner von der harten Behördensprache einschüchtern und zogen aus. Doch glücklicherweise nicht alle! Ihnen empfahl die HN, einen Anwalt beizuziehen, der ihre persönlichen Interessen vertritt, denn persönliche Interessen sind nicht Teil des HN Stiftungszwecks.
Hingegen ist es seit 50 Jahren ein Interesse der FFW und entspricht dem Stiftungsgrundsatz der HN, sich für den Erhalt der Natur, der Artenvielfalt sowie der historischen Bauten und Anlagen einzusetzen. Dies alles galt es hier zu schützen, und da wurde auch der Hebel angesetzt – mit Erfolg, wie wir viereinhalb Jahre nach dem ersten Treffen in Chur mit Freude feststellen dürfen: Die Zerstörung der Siedlung Waldhaus Chur wurde verhindert.
Und auch die Bündner Medien würdigten das Resultat des Einsatzes gebührend: «Allerdings haben Stadt und Kanton die Rechnung ohne die Stiftung Helvetia Nostra und weiteren 16 Einsprechenden gemacht» war am 5. Februar dieses Jahres im ganzen Bündnerland online und auf Papier zu lesen.
Eindeutiges Fazit der Kommissionen für Natur- und Heimatschutz und Denkmalpflege
Die von der Helvetia Nostra angerufen nationalen Kommissionen – die Eidgenössische Kommission für Natur- und Heimatschutz (ENHK) und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EDK) – kommen nämlich in einem gemeinsamen Gutachten zum unmissverständlichen Schluss: «Auf der Basis der vorliegenden Unterlagen und der Ergebnisse des Augenscheins ihrer Delegation kommen die Kommissionen zum Schluss, dass die Siedlung Waldhaus von sehr hohem wissenschaftlichem Interesse ist und in ihr hohe kulturelle und heimatkundliche Werte innewohnen; sie ist nach Ansicht der Kommissionen aus ortsbildlicher wie auch aus denkmalpflegerischer Sicht schutzwürdig. Der Quartierplan Cadonau würde durch den Abbruch der Siedlung Waldhaus zu einer dauerhaften und schweren Beeinträchtigung des Ortsbildes von Chur und zum Verlust eines bedeutenden Denkmals führen.»
Die Medien im Bündnerland titelten zu diesem Fazit der beiden Kommissionen die treffende Schlagzeile: «Bund spricht Machtwort: Quartierplan für Areal Cadonau ist Makulatur – die Churer Waldhaussiedlung darf gemäss zweier Gutachten nicht abgerissen werden. Für den Kanton Graubünden und die Stadt Chur ein komplettes Desaster.»
Wehrhaftigkeit zahlt sich aus
Das Desaster hätten die Bündner Behörden verhindern können, wenn sie – bevor sie den Bewohnerinnen und Bewohnern der Siedlung Waldhaus kündigten – sich beim Bund, darüber erkundigt hätten, ob und wie überhaupt ein neuer Zonenplan des Quartiers für das historische gewachsene Gebiet zu gestalten wäre.
Es ist nun zu hoffen, dass die Bündner Behörden das von ihnen angerichtete Desaster abmildern, und sie der eindeutigen Empfehlung der Kommissionen Folge leisten.
Eines lässt sich jedoch bereits heute sagen: Gewonnen haben die unbeugsamen Bewohner und Freunde der Siedlung Waldhaus Chur sowie alle Freunde des Natur- und Denkmalschutzes, und damit auch alle Unterstützer und Gönner der Fondation Franz Weber und der Stiftung Helvetia Nostra.
Was lehrt uns die Geschichte: Es ist nie aussichtlos, sich gegen Behörden-Druck zur Wehr zu setzen, wenn es um die Natur und Historie unserer Heimat geht!